18. Regensburger Kontaktstudium

Prof. Dr. Volker Depkat bei seinem Vortrag

Foto: Gebauer (BGLV)

18. Regensburger Kontaktstudium für Geschichts-/SozialkundelehrerInnen „Populismus und Demokratie“

Rund 90 Geschichts-/SozialkundelehrerInnen vorwiegend oberpfälzischer und niederbayerischer Gymnasien, Berufs-/Fachober- und Realschulen folgten der Einladung des Bayerischen Staatsministeriums für Untericht und Kultus und der Universität Regensburg, die in Kooperation mit dem Regensburg European American Forum (REAF) sowie dem Bayerischen Geschichtslehrerverband (BGLV) und der Landesfachgruppe Geschichte/Sozialkunde im Bayerischen Philologenverband (bpv) das 18. Regensburger Kontaktstudium ausrichteten.

In ihren Eröffnungsansprachen führten der wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung, Prof. Dr. Volker Depkat (Professor für Amerikanistik an der Universität Regensburg und Historiker), sowie Ltd. OStD Franz X. Huber (Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in der Oberpfalz), in das „traurig aktuelle“ Thema der Veranstaltung „Populismus und Demokratie“ ein. StD Theo Emmer (BGLV und bpv) dankte den Veranstaltern, insbesondere Prof. Depkat und den Referenten, für ihr Engagement, sowie StDin Claudia Reichmann von der MB-Dienststelle für die große Unterstützung. Für ihn war es das letzte Kontaktstudium als Tagungsleiter, weil er Ende des Schuljahres aus dem aktiven Dienst ausscheiden wird. Der Ministerialbeauftragte und OStRin Alfrun Gebauer (Vorsitzende BGLV) dankten ihm für sein Engagement und überraschten ihn mit einem Präsent.

In seinem Einführungsvortrag „Populismus und Demokratie: Eine komplexe Angelegenheit“ betonte Prof. Dr. Dirk Jörke (Institut für Politikwissenschaft TU Darmstadt) die Notwendigkeit, das Phänomen des Populismus, das durchaus eine Gefahr für liberale Demokratien darstelle, geographisch und historisch zu verorten. Nur wenn man den Populismus in seiner Mehrdimensionalität und Kontextgebundenheit betrachte, könne man ihn verstehen, ohne selbst populistische Gut/Böse-Unterscheidungen zu reproduzieren. Anhand von Daten der letzten Wahlen in Deutschland und Österreich untermauerte der Politikwissenschaftler seine Vermutung, dass der stetig wachsende Erfolg populistischer Parteien in Europa mit dem Zustand westlicher Demokratien zu tun habe. Die Modernisierungsprozesse der letzten Jahrzehnte hätten unter anderem eine gesellschaftliche Spaltung in Gewinner und Verlierer vorangetrieben. So werde die AfD inzwischen mehrheitlich von Menschen aus der unteren Mittelschicht - meist aus ländlichen Regionen oder ehemaligen Industriegebieten - gewählt, die sich als Modernisierungsverlierer verstünden und durch ihr Wahlverhalten ihren Ärger über die enttäuschten Versprechen der Demokratie zum Ausdruck bringen wollten. Der Frage nach möglichen Antworten auf die zunehmenden Erfolge populistischer Parteien stellte Prof. Jörke am Ende seines Vortrags die These entgegen, dass sich Populismus als Appell an die kosmopolitischen Eliten deuten ließe, die Versprechen der Demokratie wieder ernster zu nehmen.

„Das zweifelhafte Vorbild Südosteuropa: Populismus und Demokratieabbau“ - so lautete der Beitrag von Dr. Konrad Clewing (Historiker am Leibnitz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg). Mit besonderem Blick auf die Länder Südosteuropas, in denen populistische Parteien an der Macht waren oder es momentan sind, wollte Dr. Clewing regierenden Populismus weniger als Demokratieabbau und mehr als Abbau unabhängiger demokratischer Institutionen verstanden wissen. Am Beispiel Ungarns erklärt der Referent, dass der große Erfolg populistischer Parteien in Südosteuropa vom Ärger über enttäuschte Versprechen der westlichen liberalen Demokratie herrühre. In diese seien von vielen Menschen zu Zeiten der sowjetischen Besatzung große Hoffnungen gesetzt worden. Mit Ende des Kalten Krieges und der Osterweiterung westlicher demokratischer Institutionen wie der EU seien diese Hoffnungen jedoch zerstört worden, da der westliche Liberalismus seine ihm innewohnende Forderung nach Pluralismus zugunsten eines Hegemonieanspruchs über die post-sowjetischen Länder Osteuropas aufgegeben habe. Letztere verstünden sich dadurch nun zunehmend als Verlierer, die sich den politischen Maßnahmen der westlichen Demokratien und der dadurch implizierten Überlegenheit des Vorbilds zu unterwerfen hätten. Die von Viktor Orbán, dem Ministerpräsidenten Ungarns, ausgerufene „kulturelle Konterrevolution“ kanalisiere diese Frustration und die aus den Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahre resultierten Ängste, um ein Gegengewicht zu den westlichen Demokratien zu schaffen. Abschließend betonte Dr. Clewing, dass die nationalspezifischen Gründe für den Erfolg populistischer Parteien nicht unterschätzt werde dürften, wenn man das Phänomen des Populismus verstehen wolle.

Prof. Dr. Roland Sturm (Lehrstuhl für Deutsche und Vergleichende Politikwissenschaft, Europaforschung und Politische Ökonomie FAU Erlangen-Nürnberg) untersuchte „Populismus und Demokratie in Großbritannien“. Er ging besonders auf den rechten Rand ein und betrachtete die rechten und populistischen Parteien Großbritanniens, UKIP und BNP, genauer. So erklärte er deren Entstehungsgeschichten und zeigte anhand von Statistiken, wie die Wählerschaft dieser Parteien aussieht und welche Faktoren zu ihrer Wahl führen können: Einwanderungsstopp, EU-Skepsis, Kampf gegen korrupte Politiker, Einstellung, dass der Islam eine Gefahr für die westliche Welt sei ... Ein weiterer von Prof. Sturm behandelter Punkt waren die populistischen Wahlerfolge und deren Voraussetzungen. So seien 2017 viele ehemalige UKIP-Anhänger zur Labour Party übergeschwenkt, während die Konservativen mehr Arbeiter für sich gewinnen wollten - die Populisten sind also nicht zwingend die beliebtesten Parteien Großbritanniens. Prof. Sturm betonte, dass ökonomische Gründe nicht ausschlaggebend seien, um UKIP zu wählen. Der Hauptgrund sei das Thema Vertrauen, das UKIP seiner Wählerschaft verspreche - eine „Us-Vs.-Them“-Anti-Establishment-Dynamik, die immer wieder im Populismus zu erkennen sei. Man müsse von der Herrschaft der Populisten in Großbritannien sprechen, da sowohl die Brexit-Bewegung Johnsons als auch die linke Bewegung Corbyns mit populistischer Dynamik arbeite. Jedoch appellierte Prof. Sturm, die Hoffnung in Großbritannien nicht zu verlieren – noch sei nicht alles in Großbritannien im Populismus untergegangen.

Den letzten Vortrag der Veranstaltung mit dem Titel „Populismus in den USA“ hielt Prof. Dr. Volker Depkat (Universität Regensburg). Mit einem Rückblick auf die Geschichte der USA, vor allem durch die nähere Betrachtung der Gründungsdokumente, zeigte er, dass die amerikanische Demokratie seit der amerikanischen Revolution systemisch Populismus befördert hat. Die Traditionen des Populismus sind somit ein integraler Bestandteil der Geschichte und Demokratie der USA. Hier wurde vor allem auch betont, dass dieser Populismus nicht ausschließlich schädlich war, sondern die Demokratie in den USA oft sogar gefördert hat, sicht bar gemacht am Beispiel des ersten amerikanischen Populisten Andrew Jackson und am großen demokratischen Aufschwung während seiner Amtszeit als Präsident (1829 - 1837). Der geschichtliche Rückblick zeige, so Prof. Depkat, dass die Wahl Donald Trumps eigentlich keine Überraschung sei und dass der Populismus und dessen Narrative, vor allem das polarisierende „Us vs. Them“, genau in die Traditionen Amerikas passe. Gleichzeitig sei Trump jedoch ein „rabaukenhafter Konservativer“ - sein Populismus schade der amerikanischen Demokratie, da Trump zentrale Institutionen Amerikas infrage stelle und aktiv herausfordere. Auch Prof. Depkat schloss mit einem Appell, die Hoffnung in Amerika nicht aufzugeben; es sei gut möglich, dass die Amtszeit Trumps noch für einen demokratischen Aufschwung in der amerikanischen Gesellschaft sorgen könne, sofern die vielbeschworenen Selbstheilungskräfte der amerikanischen Demokratie freigesetzt würden.

Das Regensburger Jubiläumskontaktstudium für Geschichts- und Sozialkundelehrer unterstrich einmal mehr die Bedeutung der Vernetzung von Universität und Schule über das Angebot der Lehramtsstudiengänge hinaus. Die nächste Runde der erfolgreichen Reihe ist in Vorbereitung.


Theo Emmer, Anja Kurasov, Jens Schmid